Ollikainen/Hardenberger: Wagner/Widmann/Thorvaldsdottir/Sibelius – Tonhalle Zürich 04.04.2025

Frauenpower pur! Denn alleine schon wegen der immer wieder grossartigen Musik von ANNA THORVALDSDOTTIR und EVA OLLIKAINEN am Pult hat sich dieser Konzertbesuch gelohnt, dazu noch einer der besten Trompeter unserer Zeit HÅKAN HARDENBERGER mit „Towards Paradise“ von JÖRG WIDMANN – ach ja, Wagner und Sibelius gab es auch noch, können aber bei den beiden Zeitgenossen fast nicht mithalten…

Wirklich schön, stehen in letzter Zeit vermehrt grossartige Dirigentinnen am Pult und lösen (zu langsam) die weisse Altherren-Riege etwas ab – nach beeindruckenden Konzert- und Opernmomenten in den letzten Monaten mit Simone Young, Joana Mallwitz und Oksana Lyniv, nun also das Zürich-Debüt von EVA OLLIKAINEN, die sich sehr für zeitgenössische Musik einsetzt und eine führende Interpretin der Musik von Anna Thorvaldsdottir ist. Das Konzert beginnt mit Wagners Vorspiel zur Oper „Lohengrin“ und es ist tatsächlich ein Vorspiel (das es nicht unbedingt bedurft hätte), denn man kommt etwas zur inneren Ruhe und kann sich ganz dem anschliessenden Stück „Towards Paradise“ von Jörg Widmann hingeben, mit dem für mich dann das Konzert tatsächlich auch erst beginnt. Widmann wünschte sich in seiner Spielanweisung keinen konventionellen Auftritt des Solisten und so beginnt das Werk komplett im Dunkeln – „Es werde Klang. Das ist hier die Devise!“ – und nach den ersten Takten, wenn Hardenberger seine erste Position auf dem Podest eingenommen hat, wird es hell und nach dem der Solist von den unterschiedlichsten Positionen im Orchester spielt, endet das Stück im erneut eingedunkelten Saal, die unglaublichen Töne schleichen sich langsam hinaus. Ein wunderbares Erlebnis ist das. Der Komponist sagt dazu: „Håkan Hardenberger (für den dieses Stück geschrieben wurde) reist also durch das Orchester. Und am Schluss geht er wieder heraus. Von dort, von aussen kommt dann ein Ton, der eigentlich fast unmöglich zu spielen ist. Aber Håkan macht das mit vollem Risiko – und hält dann diesen Ton. Er beginnt alleine – und er endet alleine, in der Einsamkeit. Das gehört zu diesem Paradies-Stück dazu. Dass es doch offenbleibt“. Grossartige Leistung von Håkan Hardenberger und noch als Zugabe mit sanfteren Tönen die Schwedische Folklore „Gammal Fäbodpsalm från Dalarna“, bevor es in die Pause geht.

Richard Wagner: Vorspiel zur Oper „Lohengrin“ – Jörg Widmann: „Towards Paradise“ (Labyrinth VI) für Trompete und Orchester (Schweizer Erstaufführung) – Encore Håkan Hardenberger: „Gammal Fäbodpsalm från Dalarna“ (schwedische Folklore) – Anna Thorvaldsdottir: „Metacosmos“ für Orchester (Schweizer Erstaufführung) – Jean Sibelius: Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105

„Metacosmos“ ist ein ca. 14 Minuten dauerndes Stück, das erforscht, wie der Weltraum klingt. Und man sieht es förmlich vor sich, wie Kometen in Atmosphären eintauchen, man spürt magisch-zarten Sternenstaub, verspürt teilweise fast körperlich Geräusche die an ein Zischen, ein Atmen erinnern – was für eine immense Bandbreite an Klängen. Einmal mehr ist diese Musik ein Erlebnis, für mich kommt Thorvaldsdottirs Musik immer aus der Tiefe, beginnt mit einem Grummeln aus der Ferne und nähert sich langsam – ihre Musik ist für mich immer körperlich erfahrbar. Und nach diesem viel zu kurzen Erlebnis dann als letzter Programmpunkt Jean Sibelius 7. Sinfonie, seiner letzten vollendeten, die mit ihrem feierlichen Streicherfinale den Konzertabend beendet. Vom Konzertbeginn an bis zu den letzten Takten ist Ollikainen hochkonzentriert und doch ist ihre grosse Begeisterung bis in die letzten Reihen im Saal zu spüren, ihre Freude an der Musik, dieses gemeinsame Erlebnis mit den Musikern, denen sie immer wieder zulächelt und doch voller Konzentration bei diesen komplexen Partituren verweilt. Und ihre freundschaftliche Verbundenheit mit Creative-Chair-Inhaberin der Saison 24/24 Anna Thorvaldsdottir, die einmal mehr persönlich anwesend ist und ihr Werk vom Publikum zu Recht bejubelt wird. Beim Schlussapplaus ist zu spüren, wie gut die Zusammenarbeit zwischen Ollikainen und dem Tonhalle Orchester lief, es hat offenbar gefunkt und wir können hoffen, dass sie bald wieder in Zürich am Pult steht mit ihrer Präzision, ihrem Charme, ihrer Musikalität und strahlenden Begeisterung. Ein schönes freitägliches Konzert-Erlebnis!

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