Das grosse Feuer – Oper Zürich 30.03.2025

Uraufführungen zeitgenössischer Werke sind immer eine spannende Sache, sowohl für die produzierenden Häuser, als auch für die Zuschauer. Man weiss nicht wirklich was kommt. Mit Spannung wurde die Uraufführung von BEAT FURRERs Choroper „Das grosse Feuer“ an der Oper Zürich erwartet, leider ist die Umsetzung von TATJANA GÜRBACA etwas substanzlos und unbefriedigend, Furrers Musik und die Protagonisten sind toll…

Die letzten von mir besuchten Opern-Uraufführungen waren „Der Doppelgänger“ von Lucia Ronchetti am Luzerner Theater im Herbst 2024 und ein Jahr zuvor Tobias Pickers „Lili Elbe“ am Konzert und Theater St. Gallen – grossartig waren beide Werke, wenngleich auch komplett verschieden. Und nun also „Das grosse Feuer“ von Beat Furrer, ein Auftragswerk des Opernhauses Zürich – eigentlich ein interessanter Plot, diese Oper nach dem Roman „Eisejuaz“ von SARA GALLARDO und vom Librettisten THOMAS STANGL für diese Produktion dramatisch aufbereitet. Doch der Funke in dieser Inszenierung TATJANA GÜRBACAS (und ihrer Co-Regisseurin VIVIEN HOHNHOLZ) zündet nicht wirklich, erstaunlich, haben mir ihre bisherigen Regiearbeiten in Zürich bis anhin doch ausnehmend gut gefallen. Gleich zu Beginn gibt uns Paqui (ANDREW MOORE) – ein rassistischer Weisser – mit klaren Worten zu verstehen, dass er in einem Drecksloch gelandet ist, hier, zwischen all diesen Indios, im Norden Argentiniens. Eisejuaz (LEIGH MELROSE) ist sein Gegenpart, im Urwald geboren, in die Mission übersiedelt, Sohn eines Schamanen und mystisch mit der Natur, dem Wald und seinen Tieren verbunden. Er nimmt Pacqui auf, kümmert sich um ihn. Leigh Melrose als Eisejuaz ist grossartig, offenbart uns eine vielschichtige Persönlichkeit, seine Stimme ist äusserst flexibel und man merkt, wie heimisch und sicher er sich in zeitgenössischer Musik fühlt, Andrew Moore als Paqui hingegen wirkt irgendwie zu harmlos, seine Verschlagenheit, seine Bosheit nimmt man ihm nicht ab, tragisch, dass diese beiden so gegensätzlichen Charaktere zuletzt vergiftet werden, gemeinsam sterben und auf Wunsch von Eisejuaz wohl im gleichen Grab liegen, das erscheint mir das Bitterste in dieser Handlung, die sich dann doch über knapp 2 Stunden etwas hinzieht, unterbrochen von interessanten Begegnungen mit allerlei weiteren Menschen, etwa der Schwester von Eisejuaz toter Frau (ELINA VILUMA-HELLING), die ihren eigenen Ehemann gerne ermorden und durch Eisejuaz ersetzen möchte, dem Missionar Reverendo (HUGO PAULSSON STOVE) oder dem Schamanen Ayó (RUBEN DROLE), der fortwährend bereits die Strippen zu ziehen scheint und sich in der Ecke des Raumes, an der Rampe eingerichtet hat und irgendwie sehr kleinteilig agiert und man sich immer wieder fragt, was er da eigentlich macht – ich will das sehen und nicht erahnen. Dennoch hat Drole genau die Präsenz, die man von ihm bereits aus anderen Produktionen kennt. HENRIK AHR hat hierfür eine sehr nüchterne, fast schon einfallslose Bühne entworfen, einen braunen Holzverschlag mit Drehbühnenspielfäche und diversen stehenden sowie hängenden Stangen, die an einen verbrannten, ausgedünnten Wald erinnern (hat ihr das grosse Feuer gewütet?). „Das grosse Feuer“ ist Beat Furrers erste Choroper, bei der ich mir ein paar mehr kraftvolle Ausbrüche in der Musik gewünscht hätte, stellenweise plätschert es etwas dahin, ein grosses Feuer wird jedenfalls musikalisch nicht entfacht, neben den Protagonisten wird die Handlung vom Vokalensemble CANTANDO ADMOND aus Graz (Einstudierung: CORDULA BÜRGI) getragen, es wird gesungen, gewispert, geflüstert, gemurmelt, ohne die Übertitelung wäre man grossenteils verloren, dennoch erschliesst sich vieles nicht, bleibt im Unklaren, im Ungewissen, ist aber wohl gewollt dieses Geheimnisvolle, denn etwas Mystisches haftet dem Stück definitiv an, dennoch bleibt vieles rätselhaft und unaufgeklärt und so nimmt man als Zuschauer eben mit, was sich erschliesst, was man akustisch und szenisch versteht. Anfänglich braucht man etwas Zeit, um in Furrers Musik einzutauchen, irgendwann nimmt sie mich jedoch mit auf die Reise, es ist eher ein leises Werk, grossartige Ausbrüche sind selten, dann aber kraftvoll und packend, dankenswerterweise gibt es nichts folkloristisches, in den Kostümen von SILKE WILLRETT dafür umso mehr südamerikanischen Firlefanz. Am Pult steht Beat Furrer himself und agiert und steuert gemeinsam mit der PHILHARMONIA ZÜRICH wohldosiert und klug ausbalanciert durch seine eigene Partitur. Während Eisejuaz zwischen Spanisch und Deutsch hin- und her wechselt, kommuniziert sein Gegenüber Paqui ausschliesslich auf Deutsch. Die meisten der vielen weiteren Personen (bis auf den Priester) bleiben verschwommen, erscheinen wie in einer Parallelwelt, als Zuschauer dringt man nicht durch zu deren Wesen, nur weniges ist wirklich greifbar, das lässt mich am Schluss etwas unbefriedigt zurück und ich frage mich, was ist die Quintessenz, welche Aussage wollte Gürbaca mit ihrem Konzept vermitteln? Ich habe es nicht verstanden. Ich denke man hätte – ohne auf dem Kolonialismus herumzureiten – doch etwas mehr herausholen können aus diesem Stoff. Schade. Neben den Protagonisten Leigh Melrose (Eisejuaz), Andrew Moore (Paqui), Ruben Drole (Schamane Ayó), PIROSKA NYFFENEGGER (ALTE CHAHUANCA 3) und der wunderbar sanften SARAH ARISTIDOU als Aquella Muchacha bildet das bereits erwähnte Vokalensemble Cantando Admont (HELENA SOROKINA, CORNELIA SONNLEITHNER, CHRISTOPH BRUNNER, FRIEDERIKE KÜHL, PATRICIA AUCHTERLONIE, ELINA VILUMA-HEILING, HUGO PAULSSON STOVE,PIOTR PIERON, FERDINAND JUNGHÄNEL, FILIPPA MÖRES BUSCH, DAVID DE WINTER UND BERND LAMBAUER) in diversen Rollen eine hervorragende Besetzung und das ist es auch, was diese Produktion ausmacht, diese spannende Musik mit all ihren undefinierbaren menschlichen Tönen, es fühlt sich an, als würde man sich in einem Wald voll geheimnisvoller Geräusche bewegen, ich finde das nicht uninteressant, aber ganz ehrlich – richtig vom Hocker gerissen hat mich „Das grosse Feuer“ nicht.

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