Macbeth – Theater St. Gallen 23.03.2025

Alleine schon wegen der Lady Macbeth von LIBBY SOKOLOWSKI lohnt sich die Fahrt nach St. Gallen zum neuen „Macbeth“ in der Regie von KRYSTIAN LADA und einem kontrastreich-aufblühenden und äusserst sängerfreundlich musizierendem Orchester unter der musikalischen Leitung von CARLO GOLDSTEIN – also nichts wie hin!

Die Fahrt in den Osten der Schweiz lohnt sich immer wieder, doch was für ein verschlafenes Publikum sitzt in dieser Sonntagabendvorstellung, kein Szenenapplaus und eher zurückhaltende Reaktionen bei den Bows am Ende der Vorstellung. Das macht mich fast etwas fassungslos und ich finde das sehr schade, denn die Besetzung ist wunderbar und die Inszenierung gefällt mir im Grossen und Ganzen auch sehr gut, erzählt sie packend und in schönen Bildern und Stimmungen diese immer wieder gute Geschichte, diesen Klassiker, den man nun schon so oft in den unterschiedlichsten Varianten auf allen möglichen Bühnen gesehen hat. Also was ist los in St. Gallen? Was waren das für Schnarchnasen im Saal? Wie bereits bei der spannenden Uraufführung von Tobias Pickers Oper „Lili Elbe“ im Herbst 2023 erschafft Regisseur KRYSTIAN LADA auch für diese Produktion ein interessantes Setting, bestehend aus einem halbrunden Plastikvorhang, der mich passenderweise an einen Schlachthof erinnert, mit einer runden Podesterie als Haupt-Spielfläche entsteht eine Wettkampf-Arena, in deren Mitte sich jede*r präsentieren kann, hier werden Kämpfe ausgetragen, die Macht verteilt und die Herrschaft über das Land durch Morde immer wieder neu verhandelt. „Macbeth“ ist ein männerlästiges Stück und doch überragt diese Produktion eine einzige Frau – LIBBY SOKOLOWSKI als Lady Macbeth, ab „Vieni, t’affretta“ packt sie mich, lässt mich nicht mehr los, darstellerisch und musikalisch ist sie eine absolute Wucht und bis zum Schluss der absolute Hingucker mit diesen grossen Augen, dem bodenlangen Mantel und schwarzem langen Haar, das sie sich später selbst abschneidet – kein Wunder, ist Macbeth dem Machthunger und der Gier dieser Frau ausgeliefert. Bis zum Schluss hat Sokolowski omnipräsent die Szenerie im Griff, zeigt uns eine beeindruckende Charakterstudie dieser sehr komplexen Figur, dabei ist sie musikalisch präzise, nie hat man das Gefühl, dass ihre Töne angestrengt oder forciert klingen, ganz wunderbar auch ihre Textverständlichkeit – das ist dem sehr umsichtigen, stellenweise schon filigran-transparentem Dirigat von CARLO GOLDSTEIN geschuldet.

Die Männerriege erscheint gegen diese alles dominierende Lady fast schon etwas blass, dabei sind alle weiteren Rollen hervorragend besetzt: VINCENZO NERI ist mit seinem warm timbrierten Bariton ein wohlklingender Macbeth, dazu der sehr schöne Bass von BRENT MICHAEL SMITH, den ich immer wieder gerne höre und sehe (Jetzt und hier an dieser Stelle ein lautes Bravo!! für „Come dal ciel precipita“ – ich konnte mich während der Vorstellung nicht aufraffen, in diese verschlafene Stille hinein zu rufen …) , BRIAN MICHAEL MOORE ist Macduff, SUNGJUNE PARK ist Malcom, DAVID MAZE ist Duncan, JONAS JUD ist zu sehen als Diener des Schicksals/Arzt/Mörder und EMILIO KOHLER mit seinem Knabensopran ist top als Fleancio (ich finde diese Rolle immer ein wenig heikel und – sorry – habe das in manchen Vorstellungen schon ganz furchtbar gesungen gehört…). MACK WOLZ als Lady Malcom ist sowieso immer eine Bereicherung in den St. Galler Produktionen. Eine sehr gelungene Idee ist die Doppelung Macbeths mit dem Tänzer MOHAMMAD AL HAJI als dessen Alter Ego, das macht Sinn, vor allem für die doch sehr langen rein musikalischen Ballettnummern. Krystian Lada schafft es, sämtliche Beziehungen glaubhaft aufzuzeigen und fein auszuloten, spannend vor allem Macbeth/Lady Macbeth, diese brodelnde Leidenschaft, geprägt durch Gewalt, sexueller Anziehung, Macht – das ist so glaubhaft, so klar und deutlich zu sehen – Chapeau! für Sokolowski und Neri, denn sie sind Dreh- und Angelpunkt in diesem Stück und das funktioniert grossartig. Die oftmals peinlichen Hexenszenen sind super gelöst, mir gefallen die Hausfrauen-Kostüme und Langhaar-Perücken, das sind selbstbestimmte lustvolle, teils hochschwangere Hexen und ihre Besen sind wohl nicht nur zum Kehren da – der St. Galler Chor ist einmal mehr hervorragend von FILIP PALUCHOWSKI einstudiert. Natürlich gibt es unglaublich viele, sehr schöne Regieeinfälle (wie etwa die immer wieder auftauchende symbolträchtige Erde oder die kurzen Sequenzen mit den Protagonisten im Saal am Portal oder auf der linken Galerie), nebst manch eher plakativen Dingen, die man mögen oder einfach ignorieren kann, lustig finde ich die Bodybilder-Könige und die Laser-Schwerter oder den eher moppelig ausstaffierten Wald von Birnam. Ich muss unbedingt noch das Licht von ALEKSANDR PROWALIŃSKI erwähnen, mit den manchmal fast schon schmerzhaft hellen Momenten (spätestens hier hätte das müde St. Galler Publikum aufwachen müssen…) – wunderbare extrem farbig geleuchtete Stimmungen, nie kitschig, immer passend – super! „Macbeth“ – diese immer wieder unglaublich spannende Verstrickung von Gewalt, Schuld und letztlich in den Wahnsinn mündende Liebe und Abhängigkeit zweier Menschen lohnt einfach immer wieder. Und dem Fluch vom „Schottischen Stück“ zum Trotz ist dies in St. Gallen – zumindest nach (was man so gehört und gelesen hat) anfänglichen Problemchen – alles sehr gelungen und sehenswert. Bravi! Tolles Ensemble!

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