Rusalka – Staatsoper Stuttgart 27.02.2025

Oh my goodness, was für eine grossartige Vorstellung von „Rusalka“ an der Staatsoper Stuttgart mit wohlverdienten Standing Ovations! Nach dem wunderbaren „Stabat Mater“ – am Vorabend in der Tonhalle Zürich – was für ein unglaubliches zweitägiges Dvořák-Event, auch wenn ich nun etwas erschöpft bin…

BASTIAN KRAFTs wundervolle Inszenierung von 2022 ist zauberhaft und erschütternd zugleich. „Rusalka“ ist eben alles andere als ein schnödes Märchen, in dem eine Nixe ein Mensch werden möchte, „Rusalka“ zeigt zwei Welten, die koexistieren, aber nicht zusammenfinden (können). Zu exotisch, zu „anders“ ist diese Wasserwelt im Vergleich zu den Menschen und Kraft findet hierfür ganz wunderbare Bilder und Metaphern, er zeigt beide Welten, auf zwei Ebenen, die Wasserwesen – was für eine wundervolle und hervorragend funktionierende Idee – gedoppelt mit Drags. Das macht er sehr geschickt, diese Aufteilung zwischen Sänger:innen und Drag und scheint auch irgendwie eines seiner Themen zu sein, hat er doch gerade am Schauspielhaus Zürich äusserst erfolgreich H. C. Andersens „Die kleine Meerjungfrau“ ebenfalls mit Drags auf die Bühne gebracht. Und während man hier in Stuttgart zu Beginn noch etwas irritiert ist von den stumm mitsingenden Drags, so vereinen mit Fortschreiten der Vorstellung sich die beiden Figuren, werden zu einer Einheit, verschmelzen und es gibt Momente, in denen man sich fragt, wer singt gerade, wer spielt gerade, das irritiert hin und wieder, soll es wohl auch, funktioniert aber grossartig und das Konzept löst sich ein. Es gibt auch diesen Akt der Befreiung, wenn am Anfang ein Junge filmisch mit seiner Meerjungfrau-Puppe spielt, diese ihm vom Vater weggenommen wird und er am Schluss in den Bühnenhimmel entschwebt, jedoch nicht als Nixe, sondern als abgeschminkter Mann mit Fischschwanz. Das rührt mich zu Tränen, das bewegt mich sehr, dazu die stellenweise doch sehr nach Wagner klingende Musik Dvoraks. Dieses letzte sehr starke Bild spiegelt eben die aktuelle Situation für Menschen, die sich in Transition befinden oder dabei sind, sich und ihr Geschlecht zu finden, wieder – unsere Gesellschaft ist alles andere als bereit dafür und die Zeiten werden wohl eher schlimmer für Transpersonen. Musikalisch dazu riesiger Bombast aus dem Graben, dazwischen immer wieder wunderbar lyrische Momente – OKSANA LYNIV breitet ihrem Ensemble und uns im Saal anwesenden Menschen einen herrlich filigranen Klangteppich, in dem man stellenweise zu versinken droht und dies auch möchte.

Die Besetzung ist superb! – ESTHER DIERKES ist eine ideale Besetzung für Rusalka mit ihrem zarten Sopran, berührend ihr „Lied an den Mond“ im ersten Akt. Ihr Alter Ego ist die unglaublich tolle Drag REFLEKTRA aka JOEL SMALL, feinfühlig tänzelnd und zerbrechlich – sie zieht den Fokus auf sich, jede Bewegung ist wohlwollend dosiert, nichts ist zu viel, nichts zu wenig, grossartig ist das! Als Prinz musste kurzfristig DAVID JUNGHOON KIM für den erkrankten Kai Kluge einspringen, kein grosses Problem, war er doch vor Jahren die Premierenbesetzung, für meinen Geschmack zu kraftvoll und mit der Stimme immer auf Vollgas, etwas mehr Differenziertheit hätte dem Rollenprofil gut getan. DIANA HALLER gibt der Rolle der Fremden Fürstin ein starkes Profil, fast mühelos agiert sie durch diese eher kleine aber imposante Rolle, jeder Ton sitzt perfekt. Die Powerfrau schlechthin – wie zu erwarten – ist jedoch KATIA LEDOUX mit ihrem strahlenden und in allen Lagen fundierten Mezzo als Jezibaba, eigentlich – und das kann ich auch ruhig zugeben – bin ich wegen ihr zu dieser „Rusalka“ nach Stuttgart gefahren. Immer ein grosses Vergnügen „La Doucelette“ auf der Bühne zu sehen und zu hören. Brava!!! Passend dazu der mächtige Bass von GORAN JURIĆ als Wassermann, souverän, autoritär und doch auch mit spürbarer Liebe zur Nixen-Tochter Rusalka. Die drei Elfen (NATASHA TE RUPE WILSON, CATRIONA SMITH und LEIA LENSING) samt ihren Doubles VAVA VILDE, LOLA ROSE und EMILY ISLAND agieren stimmig und bilden ein starkes Team, ebenso präsent das Jezibaba-Double JUDY LADIVINA sowie das Wassermann-Double ALEXANDER CAMELTOE. Die kleineren Menschen-Rollen sind mit TORSTEN HOFMANN (Heger) und ITELZI JÁUREGUI (Küchenjunge) super besetzt – warum sie im neonfarbenen Arbeit/Müllmann-Outfit unterwegs sind, erschliesst sich mir nicht, schön aber, dass auch der kleine Küchenjunge zumindest mal kurz in die High-Heels schlüpfen möchte – es steckt eben doch in jedem eine Drag. Die wirklich sehr kleine Rolle des Jägers lässt kurz aufhorchen, hier hört man einen ganz wunderbaren Tenor, der wohl am Anfang einer grösseren Karriere stehen könnte: ALBERTO ROBERT – toll! Also – Alles in Allem eine fulminante Vorstellung mit lang anhaltendem Applaus. That was absolutely worth it….

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