Es ist der zweite Band der neuen und wohl auf sieben Bände (diese Informationen variiert, je nach Quelle sind es auch nur drei Bände…) angedachten Reihe von KARL OVE KNAUSGÅRD und mit seinen weit über 1000 Seiten ist er noch um einiges länger als der ebenfalls schon dicke Wälzer „Der Morgenstern„, aber auch diese Lektüre lohnt sich – ich denke Knausgård mag man entweder oder man legt seine ausschweifenden Romane sofort beiseite…
Woher kommt unser Leben und was bedeutet es? Eine der vielen Fragen im neuen Roman von Karl Ove Knausgård, der in der Zeit vor dem ersten Band verortet ist. Was ist passiert, bevor dieser „Morgenstern“ auftauchte und – man weiss es noch nicht genau – sämtliche physikalische Regeln außer Kraft setzte?
Alles beginnt 1986 im Süden Norwegens. Der junge Syvert Løyning kehrt vom Militärdienst zu seiner Mutter und seinem Bruder ins Haus der Familie zurück. Im fernen Tschernobyl ist gerade ein Atomreaktor explodiert, Norwegen selbst wird von einer Regierungskrise erschüttert. Syvert weiß nicht wirklich, wohin mit sich. Was hält die Zukunft für ihn bereit? Eines Nachts träumt er von seinem toten Vater, und ein unheimliches Gefühl beginnt sich in ihm festzusetzen: sein Vater will ihm eine Botschaft übermitteln. Aber welche könnte das sein? Ratlos beginnt er sich die nachgelassenen Sachen von ihm genauer anzuschauen. Und muss schließlich feststellen, dass es ein anderes Leben gab, das sein Vater führte. Eines, das bis in die Sowjetunion führt. Ein Leben, das mit der russischen Wissenschaftlerin Alevtina zu tun hat, die viele Jahre später an einem Wochenende mit ihrem Sohn nach Samara reist, um den achtzigsten Geburtstag ihres Vaters zu feiern, und da noch nicht weiß, dass sie bald Besuch aus Norwegen bekommen wird. Und mit ihrer alten Freundin Vasilisa, einer Lyrikerin, die ein Buch über einen eigenwilligen und alten Zug der russischen Kultur schreibt: den Glauben an ein ewiges Leben … (btb Verlag)
Auch dieser zweite Band hat mir ausnehmend gut gefallen und ich freue mich nun sehr auf den dritten Band dieser neuen gross angelegten Reihe: „Das dritte Königreich“. Denn wie immer wirft Knausgård grundsätzliche Fragen auf und stellt vieles in Frage, etwa ob denn tatsächlich der Mensch der Mittelpunkt allen Lebens auf dieser Welt ist oder ob es noch ganz andere Existenzen oder einen Gott gibt. Das kann nur jeder für sich selbst beantworten, aber viele Denkanstösse dazu findet man in seinen Schriften. Und so sind seine Werke episch, ausufernd und versuchen jedes noch so kleine Detail unserer Existenz abzudecken. Ich kann verstehen, wenn jemand aufgibt und diese Texte beiseite legt, aber man hat letztendlich Zeit, man kann es beiseite legen, irgendwann wieder zur Hand nehmen, genau das mag ich so sehr an diesen umfangreichen Werken Knausgårds. „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ ist genreübergreifend, man kann es nicht greifen, man taucht ein, in diese Mischung aus Bildungsroman, abenteuerlicher Erzählung, das Werk hat viele philosophische Einschübe und behandelt Fragen wie Unsterblichkeit und Religion – und ist dabei absolut unaufgeregt mit seiner unglaublichen Sogwirkung, der man sich nicht entziehen kann, sich nicht entziehen will. Sofern man das sagen kann, strahlt dieser Roman für mich eine unglaubliche Ruhe und Besonnenheit aus. I like it!
„Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ von Karl Ove Knausgård, 2024, btb Verlag, ISBN: 978-3-442-77436-4 (Werbung)
Zuletzt gelesen:
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Richard Powers – Das grosse Spiel
Beim „Morgenstern“ bin ich irgendwie und irgendwann ausgestiegen, obwohl ich Knausgård sehr gern lese und auch nichts gegen den immensen Umfang seiner Bücher habe. Vielleicht sollte ich dem Roman noch eine zweite Chance geben… kann der zweite Teil auch unabhängig vom ersten gelesen werden? Viele Grüße
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Ich habe beim ersten Band auch am Schluss manche Seiten quergelesen, wo es mir zu akademisch wurde, ich denke es macht Sinn, wenn man zumindest weiss, was im ersten Teil passiert ist, der zweite baut nicht wirklich darauf auf, nimmt aber manchmal Bezug, geht wohl dennoch, ich selbst bin froh, den ersten gelesen zu haben, der zweite liest sich etwas umangestrengter, aber genau das mag ich, weil es eben nicht nur dahinplätschert, sondern manchmal auch fordert. Aber ich bin der Letzte, der sich durch ein Buch quält, nur damit ich es zu Ende lese, dafür fehlt mir die Lebenszeit. Es ist ja durchaus legitim ein Buch dann auch wegzulegen. In diesem Sinne, herzlichst, A.
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Vielen Dank für Deine ausführlichen Rückmeldung. Ich werde es einfach noch einmal zur Hand nehmen und probieren. Ich denke, für manches Buch braucht es den richtigen Moment. Viele Grüße
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