Der aktuelle „Star“ der Klassikszene VÍKINGUR ÓLAFSSON gibt sich erneut die Ehre mit dem Tonhalle Orchester Zürich unter PAAVO JÄRVI und präsentiert uns das neue und ihm gewidmete Klavierkonzert Nr. 4 von John Adams als Schweizer Erstaufführung. Und im Anschluss einmal mehr Mahler. Ein guter Start ins Konzertjahr 2025…
Natürlich gibt es derzeit einen weltweiten Mega-Hype um Ólafsson, seine Streamingzahlen sind vergleichbar mit Popstars- und Sternchen und ich kann mir sehr gut vorstellen und wünsche es ihm auch, dass seine regelmässig erscheinenden Tonträger reissenden Absatz finden – seine Bachinterpretationen und Einspielungen sind aber nun wirklich – das muss hier unbedingt erwähnt werden – grandios, schnörkellos und ich lege sie immer wieder gerne auf den Plattenteller (es lebe der analoge Hörgenuss….). Und wir in Zürich haben das grosse Glück, dass Ólafsson Fokus-Künstler der Saison 2024/2025 in der Tonhalle ist und es bereits einige spannende Konzerte mit ihm gab und noch geben wird, zuletzt das grandiose Recital gemeinsam mit Yuja Wang (der Adams sein 3. Klavierkonzert gewidmet hatte…). „After the Fall“ heisst nun also dieses neue Klavierkonzert Nr. 4 und ist ein Auftragswerk der San Francisco Symphony, des Tonhalle-Orchesters Zürich, der Philharmonie de Paris, der Elbphilharmonie Hamburg, des Philharmonia Orchestra (London), der Göteborger Symphoniker, des Los Angeles Philharmonie sowie der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und der Wiener Symphoniker. Das Stück ist eine wunderbare Mischung aus anfänglich geheimnisvollen, fast schon mystischen Klängen, vielen Bach-Zitaten und natürlich die für Adams so typischen treibenden Rhythmen. Die Bach-Zitate sind offensichtlich eine Hommage an den grossen Bach-Interpreten Ólafsson. Wie alle Werke von John Adams ist die Musik eingängig und man kann sich dieser treibenden Kraft nicht entziehen und auch wenn „After the Fall“ als Klavierkonzert tituliert ist, so gibt es relativ wenig rein solistische Passagen, zumindest habe ich dies beim Zuhören so empfunden. Ein wundervoller Konzertauftakt. Als Zugabe dann Bach – what else: Das wunderschöne Prelude in B Moll im Arrangement von Alexander Siloti….
John Adams: „After the Fall“ Klavierkonzert (Schweizer Erstaufführung) – Encore: Bach/Siloti – Prelude in B Moll- Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 1 D-Dur
Nach der Pause dann (schon wieder!) Mahlers 1. Sinfonie in der Tonhalle. „Wie ein Naturlaut“ steht als Spielanweisung über den ersten Takten der Partitur. Und doch ist Mahlers Erste Sinfonie alles andere als eine illustrative Naturnachahmung. Er selbst förderte bildhafte Deutungen durch beigegebene Programme und Titel, um sich später klar davon zu distanzieren“ liest man im Programmheft zum Konzert. Und doch habe ich beim Hören genau das Gefühl dieser nachgeahmten Naturlaute, dieser Waldstimmung, in bunter Mischung mit Wiener Schmäh‘ und Kleszmer-Klängen. Es ist schon ein sehr spezielles Werk, diese erste Sinfonie Gustav Mahlers und natürlich kann man sich der Schlussapotheose nicht entziehen, man hält die Luft an bis zum letzten Wumms. Aber für meinen Geschmack ist Paavo Järvis Interpretation viel zu akzentuiert, zu laut, stellenweise fast schon ohrenbetäubend gewalttätig. Hingegen wunderschön die vielen sanften, zärtlichen Momente oder der traurig melancholische „Frère Jaques“-Kanon und absolut grossartig die zarten und zum Weinen schön musizierten Passagen der Hörner (Bravi! Bravi! Bravi! Hier könnten sich die Hornisten von der Philharmonia Zürich ein gewaltiges Stück abschneiden…) – aber dann eben diese lauten Ausbrüche, die für mich das eher filigrane Klavierkonzert Adams fast mit Gewalt verdrängen, um sich Platz zu schaffen. Ich finde die Kombination dieser Schweizer Erstaufführung von „After the Fall“ mit dem sich anschliessenden wuchtigen Mahler absolut misslungen, das lässt dem Klavierkonzert mit Ólafsson leider nicht den gebührenden Raum und die Würdigung, die es verdient hätte. Stattdessen also schon wieder dieser Mahler, der unbedingt aufgenommen werden muss. Als gäbe es nicht schon genug Material und tolle Einspielungen davon, zudem im letzten Sommer genau diese Sinfonie in einem unglaublichen Konzert des Tonhalle Orchesters unter Joana Mallwitz bereits zu hören war. Manchmal fragt man sich, warum im Repertoire so häufig und immer wieder die gleichen ollen Kamellen auftauchen, als gäbe es nicht unzählige andere ebenfalls grossartige Werke die man spielen könnte, sollte, müsste. Aber hier hat dann offenbar das Ego des Musical Directors mehr Gewicht als die Vielseitigkeit oder die Freude an Neuem. Schade.
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