Am 4. August 2025 jährt sich der Todestag des grössten und wohl bekanntesten Dichter und Schriftsteller Dänemarks zum hundertfünfzigsten mal und so wird man wohl HANS CHRISTIAN ANDERSEN und seinen Texten in diesem Jahr noch häufig begegnen. Das Ballett Zürich startet in dieses „Andersen-Jahr“ und zeigt die Uraufführung von „Of Light, Wind and Waters“ des dänischen Choreografen und Regisseurs KIM BRANDSTRUP nach Motiven aus Leben und Märchen von H. C. Andersen…
Die Produktion dauert ungefähr 90 Minuten, hat keine Pause und versucht in Form einer Collage aus „Die Schneekönigin“, „Die kleine Meerjungfrau“ und „Der Schatten“ sich dem Leben H. C. Andersens zu nähern. In dieser (zu) kurzen Zeit ein schwieriges Unterfangen, denn auch das Programmheft trägt nicht zur Aufklärung bei. Und so bleibt einem nichts anderes übrig, als sich dem Stück einfach hinzugeben und zu versuchen, selbst etwas hinein zu interpretieren. Ich bringe es gleich auf den Punkt: am meisten beeindruckt, ja begeistert hat mich das wunderbare Lichtspiel an der Decke des Zuschauerraums (aufgrund des spiegelnden Tanzbodens und des Wassers an der Bühnenrampe), die wunderbaren Projektionen von TIENI BURKHALTER sowie die sehr schönen Kostüme von RICHARD HUDSON, der auch den multifunktionalen Bühnenraum entworfen hat. Und natürlich dieser wirklich toll verwobene Klangteppich von IAN DEARDEN, der es schafft die einzelnen musikalischen Versatzstücke von Franz Schubert, Anna Clyne, György Kurtág und György Ligeti, Hans Abrahmsen und anderen, bis hin zu Claude Debussy zu einer Einheit zusammenzuschweissen. Doch habe ich mich immer gefragt, wo bleibt der Tanz in einer Produktion, die sich explizit als Ballett bezeichnet? Tanz kommt (für mich) in dieser Uraufführung definitiv zu kurz, vielmehr ist es eine Inszenierung mit vertanzten Bewegungsabläufen, die Bezeichnung Ballett finde ich etwas irreführend und fast schon zu hochgegriffen. Das tut der Sache keinen Abbruch, auch wenn sich vieles nur ansatzweise einlöst, vieles nur angedeutet und viel an Wissen vorausgesetzt wird. Vor allem mit den Märchen von Andersen sollte man etwas bewandert sein, sonst ist diese Produktion doch sehr rätselhaft. Aber das wäre natürlich auch ein konzeptioneller Ansatzpunkt, wenn man über Leben und Werk von Hans Christian Andersen resümiert. Denn viele Details seines Lebens – wie etwa eine latente, aber wohl nie ausgelebte Homosexualität bleiben einfach ungeklärt, während die Beziehung zu seiner Mutter grosszügig thematisiert wird. Aber nun doch zum Tanz: es gibt so gut wie keine Pas de deuxs, keine Soli, wenig Ensembles, keine Spitze, so gut wie keine Hebungen oder Sprünge, insgesamt für mich eine fast schon belanglose Tanzsprache, zumindest nichts Eigenständiges oder Bewegungen die mir in besonderer Erinnerung bleiben, das ist schade, denn der Stoff hätte viel zu bieten, die Einsamkeit dieses Schriftstellers ist so offensichtlich, Andersen hat sich wohl sein ganzes Leben als Aussenseiter gefühlt, das ist so überdeutlich in seinen vielen Märchen zu lesen. Es ist also schwierig, über einzelne tänzerische Leistungen zu urteilen und dennoch präsent – wie immer – bleibt ELENA VOSTROTINA als Andersens Mutter in Erinnerung, H.C. Andersen war in der besuchten Vorstellung mit BRANDON LAWRENCE besetzt sowie SHELBY WILLIAMS als Schneekönigin, MARIÀ HUGUET als Kay, SUJUNG LIM als Gerda, DANIELA GÓMEZ PÉREZ als kleine Meerjungfrau, JOEL WOELLNER als der Prinz, CAROLINE PERRY als die fremde Prinzessin, GIORGIA GIANI, NEHANDA PÉGUILLAN und MCKHAYLA PETTINGILL als Meerjungfrauen und CHARLES YOSHIYAMA als der Dichter, KAREN AZATYAN als der Schatten und INNA BILASH als die Poesie. Aber eben – vieles bleibt an der Oberfläche, sowohl in Andersens Leben, als auch in diesen drei thematisierten Märchen. Und so endet die Produktion mit einem super kitschigen Bild, das mir dann in Erinnerung bleibt: Seine Mutter lässt ihn los und bringt ihn dann – buchstäblich – zum Fliegen, zu allem Überfluss/Überdruss beginnt es dann auch noch zu Schneien, während Andersen in den Märchenhimmel entflieht/entfliegt – oder soll das womöglich noch eine Reminiszenz an „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ sein, wer weiss das schon? Also was bleibt von dieser Uraufführung? Tänzerisch nicht viel, um nicht zu sagen: sehr dürftige und magere Choreografien, absolut schade – dafür sehr schön von MARTIN GEBHARDT beleuchtete Tableaus in einer eher düsteren, ja fast schon deprimierenden Ausstattung und dem Gefühl, dass dies wohl eher keine geeignete Vorstellung für Kinder und Familien ist. Und auch jetzt, ein paar Tage nach der besuchten Vorstellung, kann ich immer noch nicht sagen, ob es mir denn nun gefallen hat oder nicht….
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Die Märchen von Andersen mag ich. Auf die Idee, diese auf der Bühne aufzumischen, wäre ich jetzt gar nicht gekommen. Gleichwohl danke für die ambivalente Besprechung des Tanzes und den Hinweis auf den Gedenktag des Autors.
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🙂
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