Tanzkompanie St. Gallen: Moved – Theater St. Gallen 12.01.2025

Ich habe bisher keinen Hehl daraus gemacht, dass ich ein grosser Fan der Tanzkompanie St. Gallen bin, meine Begeisterung für die bisher besuchten Produktionen konnte man in mehreren Blogposts nachlesen. Aber der heutige Besuch des aktuellen Double-Bill-Abends „MOVED“ mit Choreographien von ALAN LUCIEN ØYEN und OHAD NAHARIN hat mich nun wirklich zu Tränen gerührt…

Der ständige Versuch innezuhalten, Ruhe zu finden, sich zu besinnen in unserem rastlosen Leben, permanent mit der Überforderung kämpfen zu müssen – das ist das grosse Thema des ersten Stücks „Will night never come?“, einer gemeinsam mit den Tänzer:innen der Kompanie erarbeiteten Uraufführung, die sehr persönliche Einblicke in das Leben eines jeden einzelnen Ensemblemitglieds gibt. Wir nehmen Anteil, wir erfahren in diesen knapp 60 Minuten so viel Persönliches, nehmen Teil an den Emotionen, an den Ängsten und Sorgen, wir sehen im grossartigen Setting (ebenfalls von ALAN LUCIEN ØYEN) sich öffnende Räume, entstehende Grenzen, verschwindende (Zu)Fluchten, aber auch sich immer wieder öffnende Türen, die den Weg hinaus in eine gewisse Freiheit öffnen und Raum geben. Wir sehen Gruppen-, Paararbeiten und Soli und tauchen ein in berückend schön geleuchtete Stimmungen (Licht: MARTIN FLACK, SIGVE SÆLENSMINDE) und hören sehr persönliche Lippenbekenntnisse. Das und die grossartige Musikauswahl bewegen mich sehr und rühren mich wirklich zu Tränen. Sehr bewegt gehe ich in die Pause. Der zweite Teil dann ein moderner Klassiker von OHAD NAHARIN, eine Choreographie aus dem Jahr 1999, mittlerweile weltweit zu sehen, zeitlos und sehr gut gealtert. Und auch hier erfahren wir nach dem energetisch kraftvollen „Echad Mi Yodea“ – einer Rockversion eines traditionellen Pessach-Liedes, in der die Tänzer:innen in einem Halbkreis sitzend, die 13 Verse des Liedes mit immenser Intensität verkörpern – sehr viel Persönliches, erhalten Einblicke in das Leben des Ensembles. Das ist die grosse Kraft des Stückes. Insgesamt gesehen ist „Minus 16“ mit all seinen unterschiedlichen Teilen eine einzige grosse Hommage an den Tanz, an die Lust zu tanzen, an das Gemeinschaftsgefühl, dass beim Tanz entstehen kann. Wunderbar, wenn das Ensemble aus dem Publikum überwiegend Frauen älteren Semesters aus den angereisten Sonntagsabo-Bussen auf die Bühne holt und gemeinsam mit ihnen tanzt – das ist Lebensfreude pur! Das bewegt und reisst selbst mich – der partizipatives Theater und Mitmach-Performances hasst und meistens als ziemlich furchtbar empfindet – mit. Zudem muss ich ganz ehrlich sagen, war ich nie ein grosser Fan von auf der Bühne sprechenden Tänzer:innen, heute jedoch hat mich das ziemlich begeistert, bewegend und emotional derartig in die Texte gezogen, dass ich hier wohl meine Meinung komplett revidieren muss.

Und einmal mehr bin ich hingerissen vom Spirit dieser jungen, kraftvollen und beim Schlussapplaus so stürmisch und zu Recht gefeierten St. Galler Tanzkompanie – Bravi Bravi Bravi an: EMMA BAS GONZÁLES, BAPTISTE BERRIN, GUANG-XUAN CHEN, ETHEL DESDAMES, MITCH HARVEY, SWANE KÜPPER, VENETIA LIM JIA YEE, ANDREA LIPPOLIS, LUIS MARTINEZ GEA, CHARMENE PANG, ADAMANTIA PAPAKYRIAKI, TOMMASO TERRIBILE, EMMA THESING, ARIADNI TOUMPEKI, IFIGENIA TOUMPEKI, ALEX WREIMAN, MINGHAO ZHAO.

Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Produktionen:

Murmuration de Sadeck Berrabah: LEVEL 2 – Le 13ieme Art Paris 23.11.2024
Roberto Bolle & Friends – Theater11 10.11.2024
Clara (Cathy Marston) – Ballett Zürich 01.11.2024
Tanzkompanie St. Gallen: LIMBO – Lokremise 06.10.2024
Next Generation – Junior Ballett Zürich, Studiobühne Opernhaus Zürich Premiere 25.06.2024
Nijinski – Ballett Zürich 22.06.2024
Atonement (Cathy Marston) – Ballett Zürich 30.05.2024
New York City Ballet: Classic NYCB I – David H. Koch Theater New York 07.05.2024
KIdd Pivot: Assembly Hall – STEPS/Theater 11 Zürich 03.05.2024
Alan Lucien Øyen: Story, Story, Die – STEPS / Kurtheater Baden 24.04.2024