Han Kang – Die Vegetarierin.

Ich stecke gerade mitten in der Lektüre von Han Kangs Roman „Griechischstunden“, da lese ich, dass sie den Nobelpreis für Literatur 2024 erhalten wird. Ich lege ihn also beiseite, vertage diesen Text und lese endlich und lange überfällig „Die Vegetarierin“ mit dem sie bei seinem Erscheinen weltweit für Aufsehen gesorgt hat…

Und ja – „Die Vegetarierin“ ist speziell, irritiert etwas, polarisiert sicherlich, bleibt jedenfalls nachhaltig im Kopf und beschäftigt mich. Es ist diese doch sehr kafkaesk anmutende Handlung, die mich begeistert, allerdings eher zu Beginn, als dann mit fortschreitender Handlung. Und stellenweise hat mich dieser Roman auch ein wenig an Murakamis Werke erinnert, der jedoch weniger poetisch schreibt.

Yong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine leidenschaftslose, pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt wirft »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt Vegetarismus als subversiv. Und bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.  (Aufbau Verlag)

Die Texte von Han Kang sind intensiv-poetische Prosa, die man wirklich gelesen haben sollte, ohne das ich ein grosser Verfechter eines Literaturkanons bin – denn erlaubt ist, was gefällt und interessiert. Und dennoch hat man etwa verpasst, wenn man nicht eintaucht in diese ganz eigene Welt, bestehend aus Trauer, Gewalt, grosser Einsamkeit und eben diese männerdominierte koreanische Gesellschaft. Was ist Yeong-Hye? Eine Anti-Heldin? Oder doch eine Kämpferin inmitten dieser südkoreanischen starren Gesellschaftsstrukturen? Der Text ist und bleibt sich jedenfalls bis zum Schluss treu, ist konsequent und immer auch leicht irritierend. Muss man mögen. Mag ich sehr.

„Die Vegetarierin“ von Han Kang, 2016 (auf deutsch), Aufbau Verlag, ISBN: 978-3-351-04260-8 (Werbung)

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