Die grosse Tonhalle ist proppenvoll und nur eine einzige Person sitzt an der Orgel auf dem leergeräumten Podest (eine ungewohnte Optik…), Standing Ovations und tosender Applaus für einen unkonventionellen und hochinteressanten Künstler – Cameron Carpenter gibt sich die Ehre und sein offizielles Debüt im Programm des Tonhalle Orchesters!
Lange Zeit galt er als das „Enfant Terrible“, wobei dieser Begriff mittlerweile derart abgenutzt und lächerlich ist und für so viele Solisten (von Patricia Kopatchinskaja bis Nigel Kennedy…) benutzt wurde, die nicht der konventionellen „Norm“ im Klassik-Business entsprechen. Man kann durchaus verstehen, wenn Carpenter jetzt mit 43 Jahren es leid ist, immer darauf reduziert zu werden. Klar ist er ein spezieller Typ, aber gerade das macht ihn und sein Konzertprogramm so besonders. Nachdem er jahrelang mit seiner „International Touring Organ“ (gefertigt von der Firma Marshall & Ogletree) unterwegs war, diese aber mit der Pandemie ausser Dienst gestellt wurde, bespielt er nun hier in Zürich die neue Orgel der Tonhalle und entlockt ihr Klänge, die man so in diesem Saal wohl noch nicht gehört hat, obschon seit der Wiedereröffnung der Tonhalle einige interessante Konzerte an dem neuen Instrument gespielt wurden (Wayne Marshall, Iveta Apkalna, etc.). Carpenter betritt die seltsam geschmäcklerisch ausgeleuchtete Bühne (seine Idee oder der Kreativität der Tonhalle geschuldet? Huh!) mit etwas Verspätung und startet sofort mit dem Orgel-Altmeister Johann Sebastian Bach durch, unterbrochen von drei – teils jazzig angehauchten – weihnachtlichen Improvisationen. Gebannt verfolgt man seine flinken Läufe auf allen Manualen und den Pedalen, unglaublich seine Virtuosität.
Johann Sebastian Bach: Fantasia und Fuge g-Moll BWV 542 – Drei weihnachtliche Improvisationen – Johann Sebastian Bach: Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552 – César Franck: Choral Nr. 2 h-Moll aus Trois Chorals für Grande Orgue – Modest Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung (Arr. Cameron Carpenter) – Encores: Dmitri Schostakowitsch: Festliche Ouvertüre – Merry Christmas Time
Nach dem ersten Teil ist bereits klar: dies ist ein wirklich spektakuläres Konzert, wenn man diese unkonventionellen Werkinterpretationen Carpenters mag. Während es beim Franck’schen Choral wabert und blubbert, hat man in der interessant von Carpenter arrangierten Version von Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ eine absolut interessante Bandbreite filigraner Läufe bis hin zu allen gezogenen Registern. Und hat man das grosse Glück auf der linken Galerie seitlich des Podiums zu sitzen, so kann man sich der Faszination seines Spiels nicht entziehen, nur ab und zu blicke ich zu den Orgel-Pfeifen und frage mich, ob sie bereits jemals derart durchgeblasen wurden. Denn dieser Konzertbesuch lohnt sich alleine schon wegen der spritzig-temporeichen Schostakowitsch-Zugabe, für diesen Komponisten ungewöhnlich fröhliche und positive Klänge! Fantastisch und mein Konzert-Highlight! Nach der zweiten Zugabe – Merry Christmas Time – dann mehrfach Standing Ovations. Was für ein energiegeladenes Konzert! Woohoo!
Zuletzt besuchte Konzerte:
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Jetzt war ich schon so oft bei und auf der Tonhalle(nterasse), aber nie drin. Muss ich mal ändern…
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Allerdings!!!!!!!! 🙂
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