„Kleine Monster“ ist der zweite Roman der österreichischen Drehbuchautorin und Schriftstellerin Jessica Lind. Es ist eine sehr vielschichtige Story mit grossem Lesevergnügen, mitreissend von der ersten bis zur letzten Seite…
Wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich nicht selbst zu diesem Roman greifen, wohl aufgrund seines Covers und des Klappentextes, der etwas ganz anderes vermuten lässt. Aufgrund einer Empfehlung habe ich „Kleine Monster“ dann doch zur Hand genommen und gelesen, ja verschlungen, denn man kann sich dieser zunächst banal anmutenden Story nicht entziehen. Dieser geschickt konstruierte Plot ist überraschend, hat jedoch für meine Begriffe mit plattem „Horror“ wenig zu tun, vielmehr ist es die Subtilität und das Ungesagte, das mich bei der Lektüre sehr beschäftigt hat. Zentraler Mittelpunkt ist ein Ereignis in den Kindertagen der Mutter, dass aber bis heute ihr Leben prägt und wie ein dunkler Schatten im Zusammenleben mit ihrer eigenen Familie und ihrem Sohn vorhanden ist. Sie weiss das selbst nicht, aber sukzessive kommt sie ihren eigenen Ängsten, verdrängten Erlebnissen, Gespenstern auf die Spur. Das ist für den Leser interessant zu verfolgen.,
Pia und Jakob sitzen im Klassenzimmer der 2B, ihnen gegenüber die Lehrerin ihres Sohnes. Es habe einen Vorfall gegeben, mit einem Mädchen. Pia kann zunächst nicht glauben, was ihrem siebenjährigen Kind da vorgeworfen wird. Denn Luca ist ein guter Junge, klug und sensibel. Sein Vater hat daran keinen Zweifel. Aber Pia kennt die Abgründe, die auch in Kindern schlummern, das Misstrauen der anderen erinnert sie an ihre eigene Kindheit. Sie lässt ihren Sohn nicht mehr aus den Augen und sieht einen Menschen, der ihr von Tag zu Tag fremder wird. Bei dem Versuch, ihre Familie zu schützen, wird Pia schließlich mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. (Hanser Verlag)
In klarer und meist sehr präziser Sprache erzählt die Autorin von diesem subtilen Alltagshorror, der von den Kindern ausgeht, ausgehen kann, jedoch ohne den gross angelegten Schockeffekt. Langsam schleicht sich die Ahnung in den Handlungsstrang, geschickt versehen mit den Kindheitserlebnissen und den Traumata der Mutter. „Kleine Monster“ ist ein klug konstruierter Roman, der fesselt, der packt, der glaubhaft eine Geschichte erzählt. Lind studierte an der Filmakademie Wien und arbeitet auch als Drehbuchautorin, das spürt man sehr, denn vieles erscheint einem schon beim Lesen sehr filmisch und es würde nicht wundern, wenn sie die Film-Rechte dazu bereits verkauft hat. Lektüre sehr zu empfehlen!
„Kleine Monster“ von Jessica Lind, 2024, Hanser Verlag, ISBN: 978-3-446-28144-8 (Werbung)
Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Hanser Verlag sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.
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