Roberto Bolle and Friends – Theater 11 Zürich 10.11.2024

Im Rahmen seiner „Roberto Bolle and Friends Tour 2024“ gab es auch erstmals ein Gastspiel im Zürcher Theater 11 – für Ballett/Tanz-Aficionados natürlich ein „Must See – Event“, denn mit seinen 49 Jahren wird er nicht mehr sehr lange als Principal auf den grossen Bühnen zu erleben sein. Das Haus ist so gut wie ausverkauft, die kulturinteressierte italienische Community der Region anwesend, jeder will ihn und seine Mitstreiter:innen tanzen sehen. Man trifft sich hier trotz gesalzener Eintrittspreise zu diesem Tanz-Happening. Hat sich der Besuch gelohnt?

Roberto Bolle ist der erste Tänzer weltweit, der gleichzeitig Etoile des Teatro alla Scala in Mailand und (bis 2019) Principal Dancer des American Ballet Theatre in New York war. Natürlich ist er in Italien ein Star und aufgrund vieler Gastengagements (u.a. Royal Ballet in London, National Ballett von Kanada, Stuttgarter Ballett, Staatsoper in Berlin, Opernhaus in Wien, Opernhaus in München, Tokyo Ballet) weltweit bekannt. Und in den letzten Jahren ist es für einige Etoiles zur Mode geworden, gemeinsam mit Freund:innen und Weggefährt:innen und einem „Best of“ – Galaprogramm auf Tour zu gehen. Bolle ist da keine Ausnahme, er macht das schon seit 10 Jahren und ist damit in den italienischen Großstädten äusserst erfolgreich unterwegs, nun also erstmals in Zürich.

Programm: „Caravaggio“ von Mauro Bigonzetti (Nicoletta Manni/Roberto Bolle) – „Don Quijote“ von Marius Petipa (Tatiana Melnik/Motomi Kiyota) – „In your Black Eyes“ von Patrick De Bana (Roberto Bolle) – „Grand Pas Classique“ von Victor Gsovskij (Nicoletta Manni/Timofej Andrijashenko) – „Spartacus“ von Yuri Grigorovich (Tatiana Melnik/Roberto Bolle) – „Esmeralda“ von Marius Petipa (Riho Sakamoto/Motomi Kiyota) – „Opus 100. Für Maurice“ von John Neumeier (Roberto Bolle/Oleksandr Ryabko) – „Luminous“ von Andràs Lukàcs (Nicoletta Manni/Timofej Andrijashenko) – „Spring Waters“ von Asaf Messerer (Tatiana Melnik/Roberto Bolle) – „Sphere“ von Mauro Bigonzetti (Roberto Bolle)

Insgesamt sieht man an diesem Abend natürlich Ballett auf sehr hohem Niveau (wenn auch mit kleinen Unsauberkeiten), hat aber grossenteils den Eindruck einen manchmal etwas sterilen Hochleistungs-Wettbewerb zu sehen (was wohl auch an der leeren Bühne liegt), es wird gesprungen, gehoben und gedreht was das Zeug hält, auch wenn für grosse Diagonalen die Bühne des Theater 11 letztlich doch etwas zu klein ist. Zu sehen gibt es sehr anspruchsvolle Highlights aus den Handlungsballetten „Don Quijote“, „Spartacus“ und „Esmeralda“, überwiegend von den „Friends“ getanzt, während Bolle eher solistisch zu sehen ist – grossartig gleich zu Beginn im Solo „In your Black Eyes“ von Patrick de Bana oder als Duo gemeinsam mit Oleksandr Ryabko in Neumeiers „Opus 100 – Für Maurice“ zur Musik von Simon & Garfunkel, eine Hommage Neumeiers zum 70. Geburtstag von Maurice Béjart. Eröffnet wird der Abend mit einem Pas de deux aus dem Ballett „Caravaggio“, dass Mauro Bigonzetti 2008 für das Berliner Staatsballett geschaffen hat (Musik von Bruno Moretti nach Claudio Monteverdi), getanzt von Nicoletta Manni und Roberto Bolle. Für mich die zwei stärksten Tänzer:innen dieses Abends (neben Bolle natürlich…): Nicoletta Manni (Etoile an der Scala) und Motomi Kiyota (Ungarisches Nationalballett). Den Abend beendet nach „Luminous“ von Andràs Lukàcs (Nicoletta Manni/Timofej Andrijashenko) und „Spring Waters“ von Asaf Messerer (Tatiana Melnik/Roberto Bolle) nochmals Roberto Bolle mit der sehr geschmäcklerischen Choreographie „Spheres“ von Mauro Bigonzetti, eine ziemlich plakative Mainstream-Performance, die dann etwas abrupt direkt in die Applausordnung mündet, bis der Vorhang sich definitiv schliesst. Keine weiteren Bows, keine Encores, das Saallicht geht an, man fühlt sich etwas abgefertigt und hat leider am Nachhauseweg immer noch diese furchtbar plakativen Videos und diese von Bolle bespielte Weltkugel vor Augen. Schade irgendwie, dass dies der letzte Eindruck des Abends ist.

Was bleibt, ist die Frage – hat sich der Besuch gelohnt? Mit ein paar Abstrichen würde ich sagen, ja, dieser Abend hat sich gelohnt, man sieht den grossen Roberto Bolle tanzen und muss deswegen nicht extra nach Mailand fahren (was jedoch auch schön wäre). Das ist schon ein Ereignis, Bolle tanzt immer noch kraftvoll, vital und man kann erahnen, was für ein grossartiger Tänzer er in jungen Jahren gewesen sein muss (und immer noch ist…) – zudem gab es einige ganz wunderbare Pas de deux auf sehr hohem Niveau an diesem Abend, auch wenn man irgendwie das Gefühl hat, dass dies alles etwas aus der Zeit gefallen ist mit den hochgesteckten Haaren, weissen Strumpfhosen und Tutus. Dem Publikum gefällt dieser getanzte „Kessel Buntes“ und applaudiert mit Standing Ovations, auch wenn der Vorhang geschlossen bleibt.

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