Hugo Loetscher – So wenig Buchstaben und so viel Welt.

Dem Diogenes Verlag und den Herausgebern Peter Erisman und Jeroen Dewulf ist es zu verdanken, dass Hugo Loetscher nicht vergessen geht. Im Frühjahr 2024 erschien das wunderbare Buch „So wenig Buchstaben und so viel Welt“ mit Reise-Essays und Reportagen des 2009 verstorbenen Schweizer Schriftsteller und Publizisten…

Es ist immer wieder eine gute Zeit, die man mit der Lektüre von Loetschers Texten verbringt, egal ob es seine Romane oder eben diese Reiseberichte und Essays sind. Loetscher war ein sehr guter Beobachter mit viel Humor und es wäre schade, wenn diese Texte in Vergessenheit gerieten. Mit diesem neuen Band kann man ihn und seine Texte wiederentdecken oder neu kennenlernen.

Hugo Loetscher war mehr als ein doppelt Begabter – ein Schriftsteller, ein Journalist und, von unermüdlicher Neugier angetrieben, ein großer Reisender. Über Jahrzehnte schrieb er Reiseessays und Reportagen für die ›Neue Zürcher Zeitung‹, das Kulturmagazin ›DU‹, die ›Weltwoche‹ oder das ›Magazin‹ des ›Tages-Anzeigers‹ und berichtete aus allen Enden und Winkeln dieser Welt. Aus diesem Fundus haben die Herausgeber Peter Erismann und Jeroen Dewulf eine weltumspannende Auswahl der besten und zeitlosesten Texte zusammengestellt. Untrennbar von der Reise-Reportage ist die Fotografie: Oft war Loetscher mit bekannten oder (damals noch) weniger bekannten Fotografen unterwegs, darunter René Burri, Willy Spiller, Tobias Hitsch oder Daniel Schwartz. Und er griff, wenn nötig, auch selbst zur Kamera, wobei Bilder entstanden, die ein geschultes Auge verraten und die hier zum ersten Mal veröffentlicht werden. (Diogenes Verlag)

Dieser Band liegt neben meinem Bett und gerne nehme ich ihn abends zur Hand, blättere ein wenig, bleibe an dem ein oder anderen Text hängen und freue mich über die Geschichten aus einer anderen Zeit, wenn er etwa von einer Reise, einer Rückkehr nach Paris im Jahr 1959 berichtet bzw. seiner Ankunft am Gare de l’Est und dem Versuch in einer Telefonkabine einen Freund anzurufen. Loetscher hat die ganze Welt bereist und so findet sich in diesen Berichten logischerweise das Vokabular aus dieser Zeit der Entstehung. Warum die Herausgeber sich allerdings dafür entschieden, Begriffe wie „Mestize“, „Mulatte“ oder „Zigeuner“ stehen zu lassen, das „N-Wort“ aber zu streichen, ist mir etwas unverständlich, man hätte das einheitlich entsprechend stehen lassen und erläutern oder sich für eine komplette Streichung entscheiden können, so aber gibt es eine ungewollte Bewertung, das irritiert mich etwas, auch wenn man im Nachwort dann liest, dass Loetscher selbst das Wort im späteren Werk nicht mehr verwendet. Diese absolut lesenswerte Sammlung mit fünfunddreissig ausgewählten Texten macht grosse Freude, mit ihnen kann man geistreich und humorvoll die Welt entdecken, fernab von social media und Internet, fernab von Influencern, Bildbearbeitung und Chat GPT. Die Lektüre macht Freude und lohnt sich sehr!

„So wenig Buchstaben und so viel Welt – Reise-Essays und Reportagen von Hugo Loetscher“, herausgegeben und mit einem Nachwort von Jeroen Dewulf und Peter Erismann, 2024, Diogenes Verlag, ISBN: 978-3-257-07276-1 (Werbung)

Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Diogenes Verlag sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.

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10 Kommentare

  1. casacanarias

    Vielen Dank für die – auch zeitgemäss – passende Anregung. Loetscher hatte den Schwerpunkt aber eben doch bei den Buchstaben … und es waren nicht wenige, sondern glücklicherweise viele davon. Mich beeinflusst gern der Anspruch „Untrennbar von der Reise-Reportage ist die Fotografie“ und ich würde die SocialMedia und Bildbearbeitung noch mit dazunehmen. Eben eine andere Art damit vielleicht doch an mehr Menschen heranzukommen – beschreibend und visuell gestaltend. In meinem privaten und beruflichen Leben hingen all diese Bestandteile immer wieder aneinander und gingen/gehen ineinander … auch beim Reisen. Schwerpunktphasen waren anfänglich, meist beruflich bedingt, noch vorhanden. Heute lasse ich allem seinen freien Lauf.

    Saludos cordiales.

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