Karl Ove Knausgård – Der Morgenstern.

Es ist der Auftakt zum neuen Roman-Projekt von KARL OVE KNAUSGÅRD: „Der Morgenstern“. Mittlerweile ist der dritte Band erschienen und nach den sechs Bänden des autofiktionalen Grossprojektes „Min Kamp“ ist man dicke Wälzer und Kleinteiligkeit von ihm gewohnt…

Man taucht sehr schnell in diesen neuen Erzählkosmos Knausgårds ein und kann sich dem Sog nicht entziehen, die immerhin 891 Seiten der deutschen Ausgabe sind eine Melange aus philosophischen Texten, gewohnt detaillierten Alltagsbeschreibungen verschiedener Personen, etwas Esoterik und irgendwie auch Stephen King – Anklängen…

Es ist Sommer in Norwegen. Eigentlich eine beschauliche, sonnengetränkte Zeit. Doch nun scheint etwas aus den Fugen geraten zu sein. Krabben spazieren an Land, Ratten tauchen an überraschenden Stellen auf, eine Katze kommt unter seltsamen Umständen ums Leben. Kurzum: Die Tiere verhalten sich wider ihre Natur. In seinem neuen Roman schildert Karl Ove Knausgård eine Welt, in der die Natur und die Menschen aus dem Gleichgewicht sind, obwohl das Buch eigentlich ganz realistisch vom Leben einiger Menschen, neun an der Zahl, während mehrerer Hochsommertage erzählt, und zwar in deren eigenen Worten. Da ist der Literaturprofessor Arne, der mit seiner Familie die Tage im Sommerhaus verbringt, an sich selbst zweifelt und mit seinem Nachbarn Egil über den Glauben an Gott diskutiert. Da ist die Pastorin Kathrine, die plötzlich merkt, dass sie ihre Ehe als Gefängnis empfindet. Da ist der Journalist Jostein, der auf einer exzessiven Trinktour von den mysteriösen Morden an Mitgliedern einer Death Metal Band hört, während seine Frau Turid in einer psychiatrischen Anstalt als Nachtwache arbeitet. Ihnen allen unerklärlich ist das Auftauchen eines neuen Sterns am Himmel, den auch die Wissenschaft nicht wirklich erklären kann. Ist er der Vorbote von etwas Bösen oder im Gegenteil die Verheißung von etwas Gutem? (btb Verlag)

Es ist spannend und macht grossen Spass, diesen Roman zu lesen, man fragt sich jedoch fortwährend, ob es dann zuletzt doch noch ein grosses Ganzes geben wird, geben kann oder ob man nach mehreren Bänden etwas unbefriedigt zurückbleiben wird als Leser. Zu sehr, zu ungenau und eben zu philosophisch plätschert es dann eben noch sehr häufig dahin, auch wenn jede einzelne der verschiedenen Geschichten, die durch das Auftauchen des Morgensterns verbunden sind, lesenswert sind und man viele der Gedanken und Handlungen nachvollziehen kann. Das ziemlich (und viel zu) lange Essay zuletzt mit seinen Betrachtungen über den Tod ist jedoch ein Killer und man neigt sehr schnell zum Querlesen und Überblättern, hat man doch sofort das Gefühl, dass dieser Schwulst an Text nichts zum Fortgang beiträgt. So habe ich das jedenfalls empfunden und mich auch schnell und hemmungslos dem Ende entgegen geblättert. Und natürlich gibt es zuletzt einen (sehr allgemein gehaltenen) Cliffhanger, der dann auch wieder Lust auf den zweiten Band „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ macht.

„Der Morgenstern“ von Karl Ove Knausgard, 2023, btb Verlag, ISBN: 978-3-442-77330-5 (Werbung)

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