Mamela Nyamza: Hatched Ensemble – Zürcher Theater Spektakel 30.08.2024

Der Zürcher Sommer endet gefühlt jedes Jahr mit den letzten Vorstellungen am Theater Spektakel auf der Landiwiese am See. Nach den beiden Vorstellungen in Bayreuth ist es für mich nun das definitive Saisonende, ich spüre schon den Geist der nahenden Saison 2024/2025, die bald an allen Häusern startet. Zunächst aber noch eine besuchte Vorstellung der südafrikanischen Tänzerin, Lehrerin, Choreografin, Kuratorin und Regisseurin MAMELA NYAMZA mit ihrer Produktion „Hatched Ensemble“….

„Hatched Ensemble“ ist eine Fortführung ihrer autobiographischen Soloarbeit „Hatched“ von 2007 und hatte in dieser Version 2023 Premiere in Makhanda, Südafrika. Mehrere ihrer Arbeiten setzen sich kritisch mit Erfahrungen auseinander, die Schwarze Künstler:innen mit dem Genre des klassischen Balletts machen. In ihren Stücken konzentriert sie sich auf Erzählungen Schwarzer Frauen in Südafrika und Themen wie Häuslichkeit, traditionelle koloniale Frauenbilder sowie die Kommerzialisierung und Misshandlung weiblich gelesener Körper.

Das Stück erzählt von den Hindernissen und Herausforderungen, denen queere Schwarze Menschen innerhalb der westlichen Tanztradition, ihrer Geschlechternormen und Körperbilder begegnen, und entfaltet sich als kollektive Bewegung der Selbstfindung, der Befreiung und der Selbstermächtigung. Mamelas lebenslange Auseinandersetzung mit ihrem Körper als Tänzerin und ihrem beruflichen Selbstbild ist vom Kampf um Mittel, Anerkennung und Würde geprägt. (Programmzettel ZTS)

In einem Interview sagt Mamela „Ich komme aus dem Ballett, das mich als Schwarze Tänzerin nicht akzeptiert. In der Disziplin des Tanzes werden Tänzerinnen und Tänzer an sich immer runtergemacht und dagegen kämpfe ich seit Beginn meiner Karriere an“. Und das spürt man auch in diesem Stück, es geht um Selbstbehauptung, Selbstfindung und der Akzeptanz der Herkunft mit anderen tänzerischen Wurzeln. Während das Stück mit einer Endlosschleife von Tschaikovskys „Der sterbende Schwan“ beginnt – dem Paradestück europäisch geprägtem klassischen Tanzes – erleben wir als Zuschauer den von Zwängen und Konventionen behafteten Weg eines Ensembles, dass sich zu Beginn noch in einer nie enden wollenden Slowmotion-Sequenz befindet, sich dann auf die Spitze erhebt, um sich später ihrer Tutus und gebundener Spitzenschuhe zu entledigen und zu sich, zu ihrer Herkunft zurückfinden. Erst dann wirken sie authentisch und frei. Spitzenschuhe als Zeichen des Kolonialismus, als Zeichen der westlich geprägten Welt, das Tutu ein Symbol für die Ballettwelt an sich, in die sich die zu sehenden Tänzer:innen nicht einfügen können, es auch nicht wollen. Mit dem Ablegen dieser beiden Symbole zeigen sie den Akt der Befreiung, betonen das Individuelle. Den obwohl es sich um ein eingespieltes Ensemble handelt, könnte die Zusammensetzung nicht unterschiedlicher sein und das ist die wohl wichtigste Erkenntnis dieser Produktion – auch ein absolut diverses Ensemble kann eine Einheit bilden. Be yourself. Das zehnköpfige Ensemble wird ergänzt durch die Opernsängerin LITHO NQAI und den Musiker GIVEN „AZAH“ MPHAGO mit afrikanischer traditioneller Livemusik. Eine interessante Produktion, gleichzeitig eine ziemliche Horizont-Erweiterung. Begeistertes Publikum, umso mehr, als Mamela Nyamza zum Schlussapplaus auf die Bühne kommt.

Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Produktionen:

Next Generation/Ballett Zürich – Studiobühne Opernhaus Zürich Premiere 25.06.2024

Nijinski – Ballett Zürich 22.09.2024

Atonement (Cathy Marston) – Ballett Zürich 30.05.2024

New York City Ballet: Classic NYCB I – David H. Koch Theater New York 07.05.2024

KIdd Pivot: Assembly Hall – STEPS/Theater 11 Zürich 03.05.2024

Alan Lucien Øyen: Story, Story, Die – STEPS / Kurtheater Baden 24.04.2024

Tanzkompanie St. Gallen: Fordlandia – Theater St. Gallen Premiere 06.04.2024

Messa da Requiem/Ballett Zürich – Oper Zürich 28.03.2024

Matthäus 22:37-39 (Jo Strømgren/Tanzkompanie St. Gallen) – Lokremise St. Gallen 23.02.2024

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