Gabriel García Márquez – Wir sehen uns im August.

Natürlich kommt es einem so vor, als wollten die Erben (in diesem Fall die Söhne) des grossen kolumbianischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez nochmals etwas Profit aus der Hinterlassenschaft schlagen, aber – und das muss man auch ganz klar und deutlich sagen – der nun posthum veröffentlichte Text „Wir sehen uns im August“ ist ein Dokument des Schaffens dieses grossen Autors – wenn auch von eher mittelmässiger Qualität und nicht vergleichbar mit seinen grossen Romanen, die ganze Generationen von Leser:innen in den Bann gezogen haben…

Wohl jeder Leser hatte seine ganz persönlichen Pageturner-Momente mit „Hundert Jahre Einsamkeit“, „Von der Liebe und anderen Dämonen“, „Bericht eines Schiffbrüchigen“ und natürlich „Die Liebe in den Zeiten der Cholera. „Wir sehen uns im August“ mit seinen 127 Seiten kann da keinesfalls mithalten. Das muss diese Geschichte – als einen Roman würde ich sie nicht bezeichnen – auch überhaupt nicht. Man kann es als Ergänzung und Dokument seines Schaffens sehen, mit dem Wissen um den Hintergrund des Entstehens und seiner Demenzerkrankung im Alter.

Jedes Jahr fährt Ana Magdalena Bach im August mit der Fähre zu einer Karibikinsel, um dort auf das Grab ihrer Mutter einen Gladiolenstrauß zu legen. Jedes Jahr geht sie danach in ein Touristenhotel und isst abends allein an der Bar ein Käse-Schinken-Toast.  Dieses Mal jedoch wird sie von einem Mann zu einem Drink eingeladen. Es entspricht weder ihrer Herkunft oder Erziehung noch ihrer Vorstellung von ehelicher Treue, doch geht sie dennoch auf seine Avancen ein und nimmt den Unbekannten mit auf ihr Zimmer. Das Erlebnis hat sie und ihr Leben verändert. Und so fährt sie im August des kommenden Jahres wieder erwartungsvoll auf die Insel, um nicht nur das Grab ihrer Mutter zu besuchen. (Verlag Kiepenheuer und Witsch)

„Wir sehen uns im August“ ist eine (stellenweise sehr poetische) Geschichte über die Liebe, eines der zentralen Themen seines Schaffens. Ich mag – wie immer – seine Figuren und diese Sprachmelodie, die sein grosses Werk ausmacht und der man sich nur schwer entziehen kann. Die Anmerkungen des Herausgebers beschreiben, wie es zu dieser posthumen Veröffentlichung kam und wie das Werk entstand. „Wir sehen uns im August“ ist kein riesiger Wurf, jedoch ganz nett nebenher zu lesen. Erstlesern dieses grossen Autors würde ich zunächst jedoch seine grossen, süchtig machenden Romane empfehlen.

„Wir sehen uns im August“ von Gabriel García Márquez, 2024, Kiepenheuer und Witsch, ISBN: ISBN: 978-3-462-00642-1 (Werbung)

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